Baugeschichte bis ca. 1700 Stand 20. März 2006

Situation, älteste Bauphasen und Überlegungen zur Parzellierung von Kurt Bänteli

Das gelbe Haus liegt an der Brudergasse, der heutigen Stadthausgasse, vis a vis dem Westende der 1529 säkularisierten Barfüsserkirche. Ihre Westfassade, ergraben im Rahmen von Werkleitungssanierungen 1995/2003, fluchtet mit der westliche Parzellenmauer unseres Hauses. Es dürfte sich um eine sehr alte Grenze handeln, denn ebenfalls 1995 fand sich hier, zwei Meter unter der Oberfläche, ein N-S verlaufender, etwa 5 meter breiter und metertiefer Graben (oder eine Grube) unbekannter Funktion aus der 2. H. des 12. Jhs.[1] Sie war bedeckt vom später angelegten Kieskoffer der Brudergasse, naheliegenderweise angelegt mit dem Bau des Barfüsserklosters in der Mitte des 13. Jhs.

Die Hausparzelle misst etwa 11 x 22,5m  und ist mit 37 Fuss unüblich breit. Sie entspricht damit dem anderthalbfachen jener Parzellen, die der Abt von Allerheiligen 1392 im klösterlichen Baumgarten verkaufte.[2] Solchen ca. 7 bis 7,5 m breiten, bzw. 24-25 Fuss breiten Parzellen, die oft vorkommen, entspricht aber der Keller, der nicht die ganze Parzellenbreite einnimmt, sondern an den Ostrand verschoben ist.[3] Genau an der Verlängerung der Westflucht des Kellers liegt zudem ein Sodbrunnen, den wir schon 1991 ausgegraben haben.[4] Er ist auf den Katasterplänen von 1868-72[5] noch eingezeichnet und wurde erst im frühen 20. Jh. verfüllt. Gleichzeitig oder jünger sind Bodenbeläge, eine Katzenpflästerung und westlich davon ein Sandsteinplattenbelag. Die Trennlinie dieser Bodenmaterialien fällt wiederum zusammen mit der Westbegrenzung des Brunnens bzw. der Verlängerung der Kellerwestflucht. Der Brunnen ist gut 7m tief und reicht damit 3m unter das Kellerbodenniveau. Er ist bislang einzigartig in diesem höherliegenden Teil der Stadt, nicht bis ins Grundwasser abgetieft sondern sammelte Sickerwasser.[6] Heute liegt er trocken und ist integriert in den Laden des Musikhauses Marcandella.

Als Fazit dieser Beobachtungen stellt sich die Frage, ob der Keller älter sein könnte als der Überbau und zu einer schmaleren Parzelle gehört die 2/3 der jetzigen Breite betragen hat. Dagegen spricht, dass der Keller, wie unten dargelegt, offenbar zur Bauphase von 1605 gehört. Eine zweite Möglichkeit wären aber auch unterschiedliche Besitzverhältnisse in der heutigen Parzelle, z. B. durch einen öffentlichen Durchgang entlang der westlichen Parzellenmauer zwischen Vordergasse und Stadthausgasse oder zur Sporrengasse.

Eher für letztereskönnte sprechen, dass sich 1991 kein Durchgang in der Parzellensüdwand abzeichnete. Vermutlich ist diese überhaupt das älteste Mauerstück des gelben Hauses, zusammengehörend mit  der Parzellenwestwand, wie die Beobachtungen von 1991 zeigten (Kalkbruchsteinmauerwerk Charakter 13./14. Jh.).

Ein grosszügiger Neubau nach 1380, nach dem Stadtbrand von 1372

Das jetzige Gebäude besteht vom Erdgeschoss bis ins 2. Obergeschoss aus einem Guss.[7] Lagerhaftes Kalkbruchsteinmauerwerk mit Lagen 8-15 cm, weissem, grobem gotischem Mörtel. Die Ostwand läuft über die Südfassade hinaus bis zur Parzellengrenze weiter, die Westwand schliesst in der S/W Ecke an die oben erwähnte, ältere Parzellenmauer an.

Das Erdgeschoss war eine um 3,5m hohe Halle, mit grösstenteils noch erhaltenen, W-O verlegten Fichtenbalken (Rundhölzer), die auf einem Doppelunterzug (Fichte) mit einer zentralen, eichenen Mittelsäule aufliegen. Die Westwand zeigt gegen die Stadthausgasse hin massive Brandrötungen. In der Südwestecke gehört das im Bereich des Durchgangs liegende Rundbogenportal dazu.[8] Es besteht aus roten, bossierten Sandsteinquadern mit einem zweimal eingehauenen spätgotischen Steinmetzzeichen.[9] Mit einer Breite von 2,3m und einer Höhe von bis zu 2,6m ermöglichte es die Durchfahrt von Wagen.[10] Zwei quadratische Nischen in der Westwand liegen je etwa 3m von der Nordost bzw. Südostecke entfernt. Sie dienten zur Aufbewahrung für Lichter, Schlüssel oder anderes und liegen oft auch in der Nähe einer Türe. Auch das erste Obergeschoss erreicht mit 3,4m annähernd die Erdgeschosshöhe, besitzt gleiche W-O gespannte Deckenbalken auf einem Doppelunterzug (der Südabschnitt ist abgesägt), mit zentraler Eichenäule. Letztere bildet den südöstlichen Eckständer einer spätgotischen Bohlenstube, weiter erhalten sind der südseitige Unterzug, der östliche Türpfosten mit Resten des Sturzbrettes (Kielbogen?) der originalen Türe, die urspr. 80cm weiter östlich lag, sowie Reste des südwestlichen Eckständers. Von den ehemaligen Bohlenwänden zeugen nur noch Doppelnuten in  den Eckständern. Der Wechsel in der Balkendecke, vor der S/W Ecke der Bohlenstube, stammt vom Rauchfang der ehemaligen Herdstelle. Sie war Befeuerungsort des ehemaligen Stubenofens. Der jetzige stammt zwar aus dem frühen 20. Jh., nimmt aber noch heute die gleiche Stelle ein. Vollständig erhalten ist die gewölbte Bälkchendecke mit konstanzischen Herzblattmustern (Lilien), die gegen die Strasse hin 20cm ansteigt um mehr Licht in die Stube zu bringen.[11] Ein dicker Mörtelestrich liegt über der Bohlenbälkchendecke, und diente als Feuerschutz, sichtbar im Deckenholraum. In der stadthausgassen Fassade kamen die Reste eines aus Kalksteinen gemauerten Entlastungsbogens zum Vorschein welcher der Deckenwölbung folgt. Deutet er darauf hin, dass als ursprüngliche Aussenwand, entsprechend der Innenwände, eine Bohlenwand mit Fensterwagen rekonstruiert werden muss oder war es doch von Anfang an eine gemauerte Wandscheibe mit Fenstern? Ein gleicher, allerdings flacherer Entlastungsbogen ist auch über den jüngeren Fenstern in der Osthälfte des 1. OG vorhanden. Mit seinen 2,5 m Breite würde er durchaus zwei Doppelfenster zulassen, wie sie unten für die rückseitige Fassade erwähnt sind.

Das zweite Obergeschoss und das Dach dieses Gebäudes hat der Umbau von 1659 weitgehend zerstört. Es war nach den Abdrücken der ehemaligen Deckenbalken auf den Giebelwänden im 3. OG etwa 4 m hoch und vermutlich gleich gegliedert wie die unteren beiden Geschosse: Mit einer mittiger Säule aber O-W gespanntem Doppelunterzug unter den Dachbalken. In der Decke im 2. OG waren als Spolien verschiedene Bälkchen eingebaut, eines davon in gleicher, konstanzischer Art wie aus der Bohlenstube, aber mit kürzerer Länge. Sie deuten darauf hin, dass vermutlich im Haus eine zweite Bohlenstube vorhanden war. In der Südfassade ist zudem die vermauerte Leibung eines Doppelfensters mit einfach gekehltem Gewände erhalten. Gleichartige Gewände sind mit der Aufstockung  und dem Umbau der stadthausgassenseitigen Fassade 1659  im Ostgiebel wiederverwendet worden, wo sie heute noch als Einzelfenster dienen. Ebenfalls auf beiden Giebelwänden zeichnen sich im 3. OG die Dachlinien des urprünglich etwas flacheren, etwa 40 Grad geneigten Daches ab.

 

Datierung: In einer ersten Beprobung sind acht Hölzer dendrochronologisch untersucht worden.[12] Alle stammen von schnellgewachsenen Hölzern, haben deshalb wenig Jahrringinge, was ihre Datierung nicht eben begünstigt. Zwei Unterzüge und drei Deckenbalken (EG/1. OG) aus Fichtenholz besitzen nur 27 bis 42 Ringe, der Eichenstud im Parterre 48 Ringe. Nur der S/W Eckständer der Bohlenstube im 1. OG besitzt 80 Ringe, davon 4 Splintringe und ist 1376 datiert; Die Waldkante ist damit in den Jahren nach 1380 zu erwarten und unterstützt die baugeschichtliche Vermutung, dass das Haus ein Neubau nach dem Stadtbrand von 1372 sei. Sehr schön passt es sich ein in eine immer länger werdenenden Reihe von privaten und öffentlichen Gebäuden, sowie Teilen der Stadtbefestigung, die bislang baugeschichtlich untersucht sind und bei denen eine deutliche Brandbeschädigung nachgewiesen ist.[13]

Weitere Proben sind noch in Bearbeitung

Funktion und Besitzer: Die Grösse des Hauses, der Sodbrunnen als eigene Wasserversorgung,[14] die offene Halle mit Durchfahrt im Erdgeschoss, grosszügiger Bohlenstube im ersten Obergeschoss und Resten einer weiteren Bohlenstube sprechen für einen vermögenden Hausbesitzer. Weniger für ein Handwerkerhaus, viel eher für das eines Kaufmanns, eines Händlers oder für ein Haus mit einer öffentlichen Funktion.

Auf Grund der Quellen zu überlegen sind die mögliche Zugehörigkeit der Parzelle zum Barfüsserkloster und daraus resultierende Wegführungen. Einbezogen werden muss auch die Sporrengasse, die nach den Beobachtungen von 2005 sehr homogene mittelalterliche  Kieskoffer aufweist.[15] Beispielsweise wird die Trinkstube der Krämer 1397 in der Brudergasse erwähnt, die bislang nicht lokalisiert werden konnte, aber ebenfalls in Frage kommen könnte.[16] Weil bislang keine vorreformatorischen Hausbesitzer ausgemacht werden konnten stellt sich auch die Frage, ob die Liegenschaft allenfalls zum Barfüsserkloster gehörte und deshalb quellenmässig erst nach der Reformation fassbar ist. Über den sogenannten Gassenkehr, in dem der Grundzins von Häusern oder Hofstätten in einem bestimmten Rundgang durch die Stadt aufgelistet werden, sollten diese frühen Besitzer ausfindig gemacht werden können.[17

Umbau und Hinterhaus 15./16. Jh.

Ein erster fassbarer Umbau bringt die einfach gekehlten Kreuzstockfenster im 2. Obergeschoss der Südfassade. Sie kommen in Schaffhausen erstmals auf mit der Erbauung des Rathauses um 1400. Die Gewände sind sekundär wiederverwendet, sie besitzen ältere Schrägen, die teilweise auf den eingemauerten Seiten, aber auch an einem Mittelpfosten sichtbar sind. Vermutlich ins frühere 15. Jh. gehört auch die achteckige Fenstersäule aus grünem Sandstein im 1. OG.[18] Sie war ursprünglich flankiert von zwei einfach gekehlten Doppelfenstern; vom westlichen blieb noch die eine Leibung vorhanden. Vom Profil her könnten sie ins ausgehende 14. Jh. passen. Der äussere Vorfenster/Ladenfalz macht mich aber stutzig, ob diese Befensterung und folglich auch die Säule der Bohlenstube ursprünglich ist.

Später anzusetzten ist die Erbauung eines zweigeschossigen Hinterhauses, von dem nur noch der Mittelabschnitt der Westfassade erhalten ist, mit einem an die Parzellenmauer angelehntem Pultdach längs der östlichen Parzellenwand. Reste von zugehörigen Fensterleibungen sind gegen den Hof zum hinteren Glas im 1. OG und im Dachraum gefasst. Datierende Elemente fehlen aber.

Ein erster  Gesamtumbau durch Caspar Ramsauer 1605

Ein erster grosser Umbau gibt dem spätgotischen Gebäude ein vollständig neues Erscheinungsbild, die inneren Strukturen werden mit Ausnahme der Bohlenstube im 1. OG vollständig verändert. Das Erdgeschoss wird mit einer Trennmauer unter dem Doppelunterzug unterteilt. Die Mittelsäule südseitig um einen Viertel gestraft und dort ein Rundbogenportal aus Kalkstein mit 1,8m Breite eingebaut, mit einflügligem, sich gegen Südwesten öffnendem Torflügel. Es wird südseitig begleitet von einem kleinen Rechteckfenster mit Ladenkloben und mittigem Gitterstab. Nordseitig gehört ein weiteres, gut meterbreites Kalksteingewände dazu. Mit 1,4 m Höhe ist es zu niedrig für eine Türe und diente als Beitüre, also als Durchreiche für Waren o. ä.. Am Ende dieser Wand, in der Südfassade ist eine neue Zugangstüre (mit Schulterbogen) zum Nebengebäude entstanden. Sie liegt mehrere Stufen über dem Erdgeschossboden, überbrückt die davorliegende Beitreppe zum Kellerhals und den Kellerhals selbst. Letzterer rechnet ebenfalls mit diesem Umbau und bildet das Fundament der neu zurückversetzten Flucht des Nebenbaus. Deshalb ist zu vermuten, dass der tiefe Keller mit seinem geschalten Gewölbe ebenfalls zu dieser Bauphase gehört,[19] aber wie erwähnt westseitig eine alte Grenze, bzw. den Durchgang respektiert. Durch den Einbau dieses Kellers erfolgte die Lastübertragung der zentrischen, gotischen Stützen exzentrisch auf das neue Gewölbe und es scheint, dass deren Fundierung abrutschte. Dies wäre der Grund dafür, dass sich die gotischen Deckenbalken so extrem durchbogen  haben und gegen das Zentrum hin 20 -30 cm tiefer liegen als am Rand!

Die Türen mit Schulterbogen im 1. OG, vermutlich auch jene im 2. OG gehören zu einem neuen Treppenhaus, das jetzt ins Nebengebäude eingebaut ist. Dieses wurde wie erwähnt zurückversetzt, mit dem 2. OG aufgestockt wo es es an den spätgotischen Fassadenputz anschliesst. Neben dieser Anschlussstelle ist im 1. und  2. OG je ein weiteres Kreuzstockfenster mit doppelter Kehlung eingebaut worden, letzteres an Stelle des alten Doppelfensters. Damit wird deutlich, dass diese Massnahme dazu diente, die teilweise zugebaute Südfassade wieder zu verbreitern um mehr Licht und Wärme ins Vorderhaus zu bringen. Die Renaissancevoluten der Fenstergewände passen gut in diese Bauphase. Solche Voluten finden sich auch an dem hölzernen  Trapezerker, den Reinhard Frauenfelder Anfang des 17. Jhs.  datiert.[20] Er markiert bereits den zweiten oder dritten Umbau der Fensterpartie der spätgotischen Bohlenstube, des wichtigsten Raumes im Hause. Der Erker tritt an die Stelle des östlichen, spätgotischen Doppelfensters, integriert aber die Sandsteinsäule mit dem westlichen Doppelfenster des ersten oder zweiten Umbaus. Über der Säule ist ein zugehöriges (?) Wappenschild mit einem Harder und Schnetzlerwappen angebracht, ein älteres Wappen scheint darunterzuliegen (der Arzt Johann Christoph Harder kaufte 1727 das Haus; der stadthausseitige Saal im 2. OG mit Kasettendecke und brusthohem Täfer stammt vielleicht aus dieser Zeit und diente vielleicht als Arztpraxis).[21]

Gleichzeitig hat man auch die Bohlenwände der spätgotischen Stube entfernt und durch verputztes Mauerwerk ersetzt, zudem südseitig den mittelalterlichen Doppelunterzug entfernt und um eine Fensterachse nach Westen verschoben. Im 2. OG darüber wurde eine Küche eingebaut, wie der dort in einer Nische eingemauerte Sandsteintrog mit Ausgussrinne in den Hof deutlich macht. Ein sekundär eingebauter Balkenwechsel in den spätmittelalterlichen Decken vor den Türen im 1. und 2. OG könnte mit einer Bodenklappe zusammenhängen, durch welche Waren in die Obergeschosse hochgehieft werden konnten.

Diese Bauphase prägt eine vom EG bis ins 2. OG ablesbare Grisaille Architekturmalerei, die sich an Türen, Fenstern und am Holzwerk ablesen lässt. Alles ist grau gefasst, mit rebschwarzen Begleitlinien abgeschlossen. Im 2. OG imitiert die Grisaillemalerei in der Westwand die hier anders gespannten Deckenbalken.[22] Vereinzelt kommt ein ockergelbes, teilweise marmoriertes  Band hinzu (Nischen 2. OG). Bekrönungen sind über Türen und Fenster- und Schranknischen vorhanden. Über der ehemaligen Türe in die gotische Stube kam eine gemalte „Ratte“ zum Vorschein. Steht sie im Zusammhang mit dem Hausbesitzer und seiner Familie oder ist es eine humorvolle Ausschweifung des Malers?

Zu einer jüngeren Renovation gehört die zweite, barocke Architekturmalerei bei der das grau heller ist und weinrot als dominierende Farbe hinzukommt. Ob diese Malerei noch dieser Besitzerfamilie zuzurechnen ist, oder erst nach dem Besitzerwechsel 1650 angebracht wurde, muss offen bleiben.

Datierung und Besitzer: Der Umbau wird durch das Datum 1605 im Schulterbogensturz der Türe zum Hinterhaus im ersten Obergeschoss datiert.[23] Seit 1540, dem bislang frühesten, quellenmässig fassbaren Datum  war das Haus in Besitz von Zunftmeister Heinrich Ramsauer,[24] 1603 und 1627 ist Caspar Ramsauer als Hausbesitzer fassbar, er war Amtmann des St. Johannseramtes, später Oberpfleger, Obervogt von Merishausen und Zunftmeister der Gerber.[25] Zudem betrieb er zusammen mit Bartholomäus Peyer eine Handelsgesellschaft. [26] 1634 geriet sie in Konkurs, weil ihnen in den Wirren des Dreissigjährigen Krieges die Schweden ihr nach Konstanz fahrendes Schiff mitsamt den Waren entwendeten. Bartholomäus Peyer floh in die „Freiheit“, er und Kaspar Ramsauer wurden zu 9 Monaten Gefängnis und zwei Jahren Landesverweisung bestraft.[27] 1635 war die Gesellschaft unter dem Namen Kaspar Ramsauer und Laurenz Peyer & Co eine der drei ortsansässigen Handelsfirmen. Diese Gesellschaften lieferten alle möglichen Waren wie noch erhaltene Fakturenbücher belegen: Getreide, Salz, Blei, Salpeter,  Glas, Arzneien, Zinn, Indigo.[28] Der Hausumbau von 1605 ist mit der Handelsfunktion, dem Lagern, Verkaufen und Transportieren von Waren in Verbindung zu bringen.

Der luxeriöse Umbau von Hans Ludwig Peyer von 1659

(Aufstockung 3. Obergeschoss mit Satteldach, neuer Fassade an der Stadthausgasse und Stuckaturausstattung)

Ein zweiter noch stärker eingreifender Gesamtumbau gibt dem Haus weitgehend das heutige Gepräge: Der mittelalterliche Dachstuhl mit der Decke über dem 2. OG werden entfernt, ein drittes Geschoss mit dem noch bestehendem, liegenden Dachstuhl aufgesetzt und die stadthausseitige Fassade (mit Ausnahme des Erkers) umgebaut mit einer neuen, streng symetrischen, vierachsigen Befensterung mit Entlastungsstürzen aus Backstein. Gleiche, einfach gekehlte Fenstergewände zeigt auch die Hoffassade im  3. OG. Das Kalkbruchsteinmauerwerk ist grobteilig, mit einzelnen Flachziegeln durchsetzt und mit dem feinen, barocken Mörtel vermauert.

Im Einbau von hausbreiten Prunksäälen spiegelt sich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung der vermögenden Hausbesitzer wieder: Ein ungeheizter(?) „Sommersaal“ südseitig im 2. OG gegen den Hinterhof und ein leicht grösserer „Wintersaal“ nordseitig im 3. OG gegen die Stadthausgasse, mit einem Ofen in der S/W Ecke. Das gesamte Haus wird vom Erdgeschoss bis ins dritte Obergeschoss mit wunderschönen Stukkaturen ausgestattet: Fensterstürze, dazwischenliegende Wandflächen und vor allem die Decken, auf denen die Signaturen SH Samuel Höscheller als Urheber identifizieren.[29] Die Prunkdecken der Sääle zeigen im 2. OG eine biblische Darstellung (zwei Szenen aus dem Leben des Propheten Jonas), im 3. OG Szenen aus der griechischen Mythologie (Triton, Sohn des Poseidon und Nereide, eine Mittelmeernymphe). Die gleiche Symbolik zeigte auch die Decke im EG die 1910 zerstört wurde.[30] Zu diesem Umbau gehören im 3. OG auch brusthohe Täfer, Türeinfassungen, Schrankeinbauten und ein Alkofen unter der Estrichtreppe.

Ebenfalls ins spätere 17. Jh. gehört der Einbau eines Tresorraumes über dem Kellerhals. Türgewände und grossformatige, rechteckige und flächig behauene Kalksteinquader, die südwestseitig den Kellerhals überlagern, passen gut in diese Zeit. Der Tresor ist in der Ostwand eingebaut erhalten.

Datierung und Besitzer: Vermutlich im Rahmen des Konkurses der gemeinsamen Handelsgesellschaft kam das gelbe Haus von den Ramsauern an die Peyer. 1650 ging das gelbe Haus von Katharina Zollikofer, der Witwe Hans Ludwig Peyers (1565-1623) an ihren Sohn Hans Ludwig Peyer (1611-1682). Seine Eltern gehörten zu den reichsten Bewohnern der Stadt Schaffhausen. Er selbst war Bischöflich–Konstanzischer Amtmann in Schaffhausen, Gerichtsherr im Amt Uhwiesen und in Haslach und verheiratet mit Margaretha von Waldkirch (1621–1666).[31] 1682 erbte  David Peyer (1644–1690) das Haus. Ab 1684 lag er in einem Rechts- und Erbschaftsstreit um die Gerichtsherrschaft Haslach mit seinem Bruder Hans Ludwig (1640–1717). Ein Familienzwist der Rat und Gericht beschäftigte, in dessen Verlauf beide Parteien unlautere Machenschaften anwendeten. Ihre Aufdeckung erschütterte das Ancien Regime und führte zur tiefgreifendsten Verfassungsrevision seit 1411, als in Schaffhausen die Zunftverfassung eingeführt wurde. Hans Friedrich Peyer (1657–1701) der jüngere Bruder Davids, erbte schliesslich das Haus.

Wegen seiner Ehe mit Barbara von Waldkirch, bzw. dem Allianzwappen Peyer–von Waldkirch auf der Decke im dritten Obergeschoss, vermutet Reinhard Frauenfelder, dass Hans Friedrich Ende des 17. Jhs. Auftraggeber von Höscheler’s Stukkarbeiten war.[32] Mit der neu entdeckten, stukkierten Jahreszahl 1659 an der Erkerdecke im 1. OG wird aber Vater Hans Ludwig als Auftraggeber identifiziert, der ja ebenfalls Waldkirchsche Familienbande eingegangen war. Seine Motivation zum luxeriösen Hausumbau wird sehr verständlich im Wissen, dass er nach den Steuerbüchern ab 1658 in der 4. Position, ab 1665 und bis 1677 an der 3. Position der reichsten Schaffhauser erscheint! 1650 hatte Hans Ludwig noch die 12. dann 1654 die 9. Position inne. Die Gründe für seine lebhafte Vermögensentwicklung sind aber nicht bekannt.[33] Eine eindrückliche Verbindung von baugeschichlichen Befunden und schriftlichen Quellen.

Würdigung: Für die Geschichte des Schaffhauser Stukkhandwerks, dem einzigen Ort in der Schweiz der überhaupt eine eigene, erstrangige Stukkateurgruppe hervorgebracht hat, und natürlich auch für die Geschichte ihres Pioniers Samuel Höscheller ist diese Frühdatierung der Stukkarbeiten ins Jahr 1659 sehr bedeutsam und wird für die Historiker Anlass sein, sich weiter mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Bislang ist man davon ausgegangen, dass der 1630 geborene Samuel Höscheler  nach seiner Lehrzeit und ausgedehntem Auslandaufenthalt erst ab 1663 wieder in Schaffhausen lebte. Die Stukkarbeiten im gelben Haus sind nun Höschellers bislang ältestes, bekanntes Werk, und fallen in eine Zeit, in der bislang für ihn keine Schriftquellen ausfindig gemacht werden konnten.[34] Zudem wirft diese Datierung auch ein bedeutendes  Licht auf Hans Ludwig Peyer, den Auftraggeber und Financier, der folglich mit dem gelben Haus als erster in Schaffhausen eine mit prunkvollem Stuck ausgestattete Liegenschaft besessen hat![35]

Zur Ergänzung und Absicherung dieser Überlegungen könnte die Bauphase von 1659 noch dendrochronologisch datiert werden. Zu den Stukkaturen selbst wird diese Datierung aber keine weiteren Hinweise liefern.



[1] Keramikdatierung K. Zubler

[2] Bänteli K./Gamper, R./ Lehmann, P. (1999) Das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen. Zum 950. Jahr seiner Gründung am 22. November 1049. Schaffhauser Archäologie 4. Schaffhausen, 32.

[4] Schaffhauser Nachrichten und Schaffhauser AZ 14. 8. 1991.

[5] Stadtarchiv

[6] Zum Vergleich die Brunnen in Allerheiligen: Bänteli et. Al 1999, wie oben 87.

[7] Nur zum Teil vollfächige Beobachtungen, soweit es das vom Verputz befreite Mauerwerk zuliess. Die stadthausgassenseitige Fassade (Nordseite) war bereits wieder angespritzt, als sie untersucht werden konnte.

[8] Gegen seine Datierung in die Renaissance spricht vor allem auch die Materialisierung in rotem Sandstein an Stelle vom damals üblichen Kalkstein. Eine Dendrodatierung des Sturzes war 1991 nicht möglich, weil das Holz sehr stark verwurmt ist.

[9] Bislang keine Parallelen in Allerheiligen, St. Johann, Barfüsserkloster bekannt.

[10] Gleiche Situation wie das oberhalb liegende Haus zum hinteren Schild, Stadthausgasse 27.

[11] Das gelbe Haus, In: Das Bürgerhaus in der Schweiz, VI. Kanton Schaffhausen, Hrsg. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich 1946, 2. Auflage, Tafel 24.

[12] Dendrolabor Büro für Archäologie der Stadt Zürich, Bericht noch ausstehend.

[13] Bänteli et al 1999, wie oben 106

[14] Üblicherweise wurde das Wasser aus den Laufbrunnen der öffentlichen Wasserversorgung geholt, die aus dem Mühletal gespiesen wurden.

[15] Zugangs/Durchgangsproblematik ist nicht in  der Erbschaft der Katharina Peyer-Zollikofer 1650 nachzulesen (Staatsarchiv Personalia) aber vielleicht geben jüngere Fertigungen dazu weiter Auskunft.

[16] Urkundenregister für den Kanton Schaffhausen, Schaffhausen 1906,  1345.

[17] Schmuki, K (1988) Steuern und Staatsfinanzen, Die bürgerliche Vermögenssteuer in Schaffhausen im 16. und 17. Jahrhundert, Zürich, 472ff.

[18] Frauenfelder datiert die Säule Ende des 16. Jhs: Frauenfelder, R. (1951) Die Kunstdenkmäler des Kantons Schaffhausen I. Der Kanton Schaffhausen. Die Kunstdenkmäler der Schweiz 26. Basel, 427.

[19] Mit einem Fassungsvermögen von 260 hl Wein gehört der Keller zu den mittelgrossen Kellern. Bendel W., Die Keller der Schaffhauser Häuser. Schaffhauser Beiträge zur Geschichte, 31 1954, 166.

[20] Frauenfelder 1951 wie oben, 427 und Abb. 582.

[21] Crisci, G. F. Zum gelben Haus Schaffhausen. Diplomwahlfacharbeit in Denkmalpflege bei Prof. G. Mörsch. 1989, 22, ungedruckt. Ist die Erwähnung von Frauenfelder, 428 dass es sich um ein Peyerwappen handle richtig oder ein Druckfehler?

[22] Jakob Stamm, Schaffhauser Deckenplastik, 19. Neujahrsblatt des Kunstvereins und des historisch-antiquarischen Vereins, Schaffhausen 1914, 82 identisch mit der dort genannten al freco malerei die als religiöses Sujet interpretiert wurde (Kopf mit Heiligenschein). Ist es die Grisaille-Bekrönung des Wandschrankes?

[23] Das einst sichtbare Umbaudatum ist jetzt verdeckt. Bürgerhaus 1946 wie oben, 15 mit Tafel 8 und 24. Stamm 1914 wie oben, Seite 79-83, bes 80.

[24] Crisci 1989 wie oben, 8ff.. Karl Schmuki, Steuern und Staatsfinanzen. Die bürgerliche Vermögenssteuer in Schaffhausen im 16. und 17. Jahrhundert. Zürich 1988, 412, 547.

[25] Stadtarchiv Schaffhausen (A I/1022, 1600 April 11), 1611 ist Caspar Ramsauer Obervogt von Merishausen (A I/1153, 1611 November 11), 1613 Oberpfleger (I/1563, 1613 Februar 5)

Hausgeschichtliche Angaben in C II.05.08.04.02/07 1976-1977

[26] Schmuki 1988 wie oben, 14, 194 und 584.

[27] Frauenfelder, R. Geschichte der Familie Peyer mit den Wecken 1410-1932, Schaffhausen 1932, 32. Auch Stadtgeschichte Stein, 1957, 200.

[28] Bächtold K. und Wanner H. Wirtschaftsgeschichte des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen 1983, 140.

[29] An der gleichzeitigen Entstehung der Stukkaturen gibt es keine Zweifel. Besprechung mit Stukkateuren Bosshard (IGA Zürich) und, Münch (Schlatter, Schaffhausen) und H.U. Wipf 9.03.06.

[30] Stamm 1914 wie oben. Wipf, H. U. Beiträge zur Biographie des Schaffhauser Stukkateurs Samuel Höscheller, Schaffhauser Beiträge zur Geschichte 56, 1979 143-187, bes.. 170. Wipf, H. U., Samuel Höscheller. In: Schaffhauser Biographien. Schaffhauser Beiträge zur Geschichte 68, 1991, 78-86.

[31] Schmuki 1988 wie oben, 243 und 504f.

[32] Frauenfelder 1951 wie oben, 428. Dazu auch Frauenfelder 1932 wie oben 435 (88), 445 (128), 446 (132), 501f.

[33] Schmuki 1988 wie oben, Anm. 505

[34] Wipf 1979 wie oben, 149.

[35] Über allfällige Werke eines 1641 aktenkundig gewordenen Berufskollegen ist bislang nichts bekannt. Wipf, H. U., Über Anfang und Ende der Schaffhauser Stukkateurschule im 17. und 18. Jahrhundert. Schaffhauser Beiträge zur Geschichte 67, 1990, 269ff.